Die Dilatative Kardiomyopathie (DCM)

Veröffentlichung von Dr. Barbara Thiel

Was ist DCM?

Die Dilatative Kardiomyopathie (DCM) ist eine fortschreitende Herzerkrankung, die durch eine zunehmende Leistungsschwäche des betroffenen Hundes bis hin zum Tode gekennzeichnet ist. Diese Symptome treten auf, weil sich bei erkrankten Hunden die Struktur des Herzmuskels derart verändert, dass das Herz nicht mehr ausreichend gut pumpen kann und damit zu wenig Blut in den Körper gelangt. Übersetzt heißt DCM daher auch schlicht so viel wie „krankhafte Herzmuskelerweiterung“..

DCM tritt häufig bei großen Hunderassen (z.B. Deerhound, Dobermann, Irischer Wolfshund, Deutsche Dogge, Boxer oder Neufundländer) auf – für einige dieser Rassen geht man von einer genetischen Disposition (Erbkrankheit) aus. Daher ist bei diesen Rassen in der Regel eine Herzuntersuchung auch Bestandteil der Zuchtzulassung. Oft geht mit diesen Symptomen ein reduzierter Taurin-Gehalt im Blut einher, so dass dieser Parameter auch als Hinweis bei der Diagnose einer DCM Berücksichtigung findet. Ein weiterer wichtiger Faktor im Stoffwechsel der Muskulatur ist L-Carnitin – der Zusammenhang zwischen Carnitin-Defiziten und dem Entstehen einer DCM wird aber derzeit noch diskutiert. Dennoch hat es sich bewährt, betroffenen Hunden therapeutische Gaben von Taurin und L-Carnitin zu verbreichen, um den Krankheitsverlauf zu verlangsamen.

In den letzten Jahren wurden vermehrt Fälle von bestätigter DCM bei Hunden gemeldet, die nicht den genetisch vorbelasteten Rassen zugeordnet werden (z. B. Golden Retriever). Die Untersuchung dieser Fallberichte geht unter anderem dem Verdacht nach, der Taurin-Stoffwechsel könne eine Rolle bei diesen Erkrankungen spielen.

Brauchen Hunde denn überhaupt Taurin?

Taurin ist keine strukturelle Aminosäure, wird also nicht zum Aufbau von Muskeln oder Bindegewebe verwendet. Dennoch befinden sich größere Mengen von Taurin insbesondere im Herzmuskel. Taurin stimuliert den Einstrom und die Membranbindung von Calcium, was wichtig für die Herz-Kontraktionen ist. Außerdem ist Taurin ein wichtiger Be-standteil von Gallensäuren, die einen wichtigen Beitrag zur Fettverdauung im Dünndarm leisten. Teilweise wird Taurin mit diesen Gallensäuren ausgeschieden, teil-weise im Dickdarm aus den Gallensäuren wieder zurückgewonnen. Taurin wird beim Hund in ausreichenden Mengen durch Eigensynthese aus den essenziellen Aminosäuren Methionin und Cystein gebildet. Hunde sind daher nicht – im Gegensatz zu Katzen – auf eine Zufuhr von Taurin über die Nahrung angewiesen, und es gibt keinen wissenschaftlich definierten „Bedarf“ an Taurin.

Wie kann es zu Taurin Defiziten kommen?

Es gibt allerdings individuelle Gegebenheiten, die bei einem Hund dennoch zu Taurin-Defiziten führen können, selbst wenn er ausreichend mit dessen Vorläufern Methionin und Cystein versorgt wird. So produzieren sehr große Hunde deutlich weniger Taurin pro Kilogramm Körpergewicht als kleine Rassen. Auch übergewichtige oder zuckerkranke Tiere weisen oft niedrigere Taurin-Spiegel als ihre idealgewichtigen bzw. gesunden Artgenossen auf.

Da man bisher von der Prämisse ausging, dass Hunde selbst genügend Taurin „her-stellen“ könnten, um hinreichend versorgt zu sein, wurde der Taurin-Bedarf von Hun-den bisher nicht wissenschaftlich unter-sucht. Wir wissen daher nicht, ab welchem Wert bei einem Hund tatsächlich Funktionseinbußen zu befürchten sind.

Die Ernährung kann auf drei Arten zur Entstehung eines Taurin-Defizits beitragen:

  1. Die Nahrung enthält wenig Taurin und nicht genügend Taurin-Vorläufer (Methionin und Cystein), so dass dem Hund schlicht das „Baumaterial“ für die eigene Taurin-Herstellung fehlt. Es kann auch sein, dass zwar genügend Methionin und Cystein in der Ration enthalten sind, aber die Bioverfügbarkeit dieser Aminosäuren nur mäßig ist.
  2. Die Nahrung enthält einen hohen An-teil an unverdaulichen Faserstoffen, was zu größeren Kotmengen und damit auch zu größeren Verlusten an Taurin über den Gallensaft führt.
  3. Die Nahrung enthält einen großen Anteil an fermentierbaren Fasern. Dies führt zu einer verstärkten Proliferation der Darmflora. Einige dieser Darmbakterien bauen Taurin aus den Gallensäuren ab, so dass weniger Taurin zur Rückgewinnung zur Verfügung steht.

Welche Auswirkungen hat ein Taurin Defizit?

Aus den oben genannten Aufgaben von Taurin im Körper des Hundes kann man mögliche Probleme bei Taurin-Defiziten ableiten:

Zum einen können Störungen bei der Fett-verdauung auftreten, weil nicht mehr genügend (funktionale) Gallensäuren gebildet werden. Zum anderen können die Muskeln an Kontraktionsfähigkeit einbüßen, weil die Wiederaufnahme von Calcium nach der Reiz-weiterleitung herabgesetzt ist. Und da das Herz der Muskel ist, der von allen Muskeln am meisten (weil ununterbrochen) arbeitet, treten hier als erstes Symptome in Form einer Herzerkrankung (DCM) auf.

 

Wie stellt man ein Taurin-Defizit fest?

Taurin hält sich im Körper vermehrt dort auf, wo es gebraucht wird. Daher finden wir die höchsten Konzentrationen dieser Amino-säure in den Muskelzellen. Dort ist eine Mes-sung jedoch wenig praktikabel, weshalb man den Taurin-Gehalt im Blut bestimmt. Dabei ist es wichtig, dass Vollblut unter-sucht wird und nicht etwa Blutplasma. Der Taurin-Gehalt im Blutplasma ist wenig aussagekräftig, wohingegen Vollblut auch Blutplättchen (Thrombozyten) enthält. Der Taurin-Gehalt in diesen Zellen korreliert mit dem Taurin-Level in der Muskulatur und ist daher als Indikator gut geeignet.

Warum wird getreidefreies Hundefutter ....

... als Verursacher von DCM bei genetisch nicht vorbelasteten Hunden vermutet?

Fallberichte

Zwischen Januar 2014 und April 2019 gin-gen bei der U.S. Food & Drug Administration (FDA) sieben Fallberichte über das Auftreten von DCM bei Hunden ein, die an sich nicht genetisch vorbelasteten Rassen angehörten (Golden & Labrador Retriever, Zwergschnauzer, Shih-Tzu). Festgestellte Gemeinsamkeiten waren lediglich, dass deren Futter größere Anteile an Kartoffeln und / oder Hülsenfrüchte wie Erbsen oder Linsen enthielt. In den ersten Veröffentlichungen war häufiger von „boutique style grain free diets“ die Rede. Dieser Begriff beschreibt Futtersorten, die üblicher-weise in kleinen Spezialgeschäften vertrieben werden. Oft handelt es sich dabei um Produkte, die in einem nur geringen Umfang von einem lokalen Produzenten hergestellt werden und die eher gewissen kunden-getriebenen Trends als ernährungswissenschaftlichen Erkenntnissen folgen. Solche Futtermittel enthalten neben den bereits er-wähnten alternativen Kohlenhydratquellen häufig auch „exotische Proteinquellen“ wie Bison, Strauß oder Känguru. Von Juli 2018 bis April 2019 gingen bei der FDA über 500 Berichte von Hunden ein, bei denen ein Tierarzt die Herzerkrankung DCM diagnostiziert hatte. Dies geschah jedoch erst, nachdem die FDA in einer Veröffentlichung den Verdacht geäußert hatte, dass es einen Zusammenhang zwischen getreidefreier Ernährung und dem Auftreten von DCM bei genetisch nicht vorbelasteten Hunden geben könnte und zur Meldung diesbezüglicher Verdachtsfälle aufgerufen hatte.

1.Der Golden und Labrador Retriever sind die am häufigsten genannten Hunderassen. Das verwundert insofern nicht, als diese seit Jahren die beliebtesten Rassehunde in den USA sind. Allerdings könnte hier zusätzlich eine gewisse Beeinflussung stattgefunden haben, da diese beiden Rassen in den ersten Veröffentlichungen bereits benannt wurden. Daraufhin wurden die Berichte vor allem in rassebezogenen Social Media-Kanälen geteilt und die Halter solcher Hunde entsprechend sensibilisiert.

2.Es befinden sich vermehrt Hunde in dieser Auflistung, für die eine genetische Prädisposition für DCM beschrieben ist, z.B. Deutsche Dogge (25 Meldungen), Dobermann (15 Meldungen), Boxer (11 Meldungen). Bei diesen Hunden ist das Auftreten einer DCM nicht überraschend und hat wahrscheinlich überwiegend andere Ursachen als die Ernährung. Bei Golden Retriever und American Cocker Spaniels ist zudem eine rassespezifische Prädisposition für Taurin-Mangel nachgewiesen.

In 87% der Fälle wurden die betroffenen Hunde ausschließlich mit Trockenfutter er-nährt. In 91% der Fälle war das Futter als „getreidefrei“ deklariert, in 93% der Fälle waren Hülsenfrüchte (Erbsen und / oder Linsen) enthalten, in 42% der Produkte Kartoffeln und / oder Süßkartoffeln.

Die häufigsten Eiweißquellen waren Huhn, Lamm und Lachs, aber auch eher seltene Proteinlieferanten wie Känguru (immerhin an 5. Stelle), Wild, Bison, Kaninchen oder Ziege wurden genannt

„Verdächtige Futtersorten“

Die Futtersorten, mit denen die ersten betroffenen Hunde gefüttert wurden, analysierte das „The Veterinary Laboratory Inve-stigation and Response Network (Vet-LIRN)“ hinsichtlich der enthaltenen Nährstoffe und verglich diese mit anderen Produkten, die Getreide enthielten. Diese Nährstoffprofile waren bei fast allen Produkten bedarfsdeckend entsprechend der Vorgaben der AAFCO – auch die Taurin-Vorstufen Methionin und Cystein waren außer in einem „Grain free“-Produkt überall in ausreichender Menge enthalten. Es wurde eigentlich nur ein signifikanter Unterschied zwischen den als „getreidefrei“ deklarierten Sorten und getreidehaltigen Vergleichsproben gefunden: Der Fasergehalt. Die getreidefreien Hundenahrungen enthielten durchwegs mehr Rohfaser ( 45% mehr), Ballaststoffe ( knapp 30% mehr), und unlösliche Faserstoffe ( fast 40% mehr). Daraus lassen sich folgende potenzielle Gründe für einen alimentär bedingten Taurin-Mangel und möglicherweise daraus resultierende Entstehung einer DCM ableiten:

  • Einseitige Rohstoffauswahl (insbesondere bei „Limited Ingredient Diets“) kann zu einem nicht bedarfsdeckenden Nährstoffprofil führen.
  • Bei Verwendung exotischer Eiweißquellen ist oft die Rohstoffqualität unterdurchschnittlich, was sich auch im Gehalt und der Verfügbarkeit essenzieller Nährstoffe niederschlägt.
  • Große Anteile von Hülsenfrüchten/ Kartoffeln sowohl als Stärkelieferant, aber auch als Eiweißquelle liefern nur wenig Methionin.
  • Die erhöhten Fasergehalte „getreide-freier“ Diäten steigern durch erhöhtes Kotvolumen die Taurin-Verluste über Gallensäuren. Zusätzlich führen sie zu einer reduzierten Rückresorption von Taurin im Dickdarm aufgrund erhöhter mikrobieller Tätigkeit.

Nicht direkt mit der Futtersorte, aber mit der Fütterung allgemein steht der Ernährungszustand in Zusammenhang. Aktuelle Quellen gehen derzeit davon aus, dass rund die Hälfte aller Hunde in den USA adipös – also krankhaft übergewichtig – ist. Die Hunde produzieren nachgewiesenermaßen weniger Taurin pro Kilogramm Körpermasse als ihre normalgewichtigen Artgenossen.

„Taurin-Killer“?

In rohen Pflanzen kommen häufiger sogenannte „Antinutritive Substanzen“ vor, die die Verdauung und Aufnahme wichtiger Nährstoffe hemmen können. Hier sind die in Hülsenfrüchten verbreiteten z. B. Trypsin-Inhibitoren zu nennen, die Enzyme zur Spaltung und Aufnahme von Proteinen aus dem Darm hemmen. Trypsin-Inhibitoren sind jedoch hitzelabil, so dass sie durch den Extrusionsprozess weitestgehend zerstört werden. Vorsicht ist natürlich bei der Verfütterung unzureichend gegarter oder roher Hülsenfrüchte und Kartoffeln geboten.

 Andererseits können Hitze und Druck natürlich auch Einfluss auf die Eiweißqualität im Futter nehmen – mehrfach oder zu hoch erhitzte Proteine können ihre Struktur und damit auch ihre Verdaulichkeit ändern. Der Herstellungsprozess ist also ein Faktor, der nicht außer Acht gelassen werden sollte.

Fazit

Wichtig!

Diese Beobachtungen der jüngsten Vergangenheit widerlegen nicht die These der erblichen Veranlagung zur Entwicklung einer primären DCM in manchen Hunderassen. Eine solche genetische Prädisposition ist einerseits anhand der Abstammungsdaten nachzuvollziehen, andererseits wurden schon diverse Genorte mit dem Auftreten der Erkrankung in unterschiedlichen Rassen in Verbindung gebracht. Daher sollten diese neuen Entwicklungen nicht dazu verleiten, das Auftreten von DCM nur noch als Folge von Fütterungsfehlern zu betrachten. Vielmehr sollten die Bemühungen zur züchterischen Eindämmung von primärer DCM unvermindert fortgesetzt werden. Zusätzlich sollte bei einigen der „untypischen“ betroffenen Rassen der Taurin-Stoffwechsel weiter untersucht werden. Deswegen: Lassen Sie Ihre Zuchttiere weiterhin regelmäßig auf ihre Herzgesundheit überprüfen! Falls Ihr Rasse nicht zu den betroffenen Rassen zählt, aber Anzeichen einer Herzerkrankung wie allgemeine Leistungsschwäche oder Husten in Ruhesituationen zeigt:

Zögern Sie nicht, einen Tierarzt zu konsultieren. Dieser wird nach gründlicher Diagnostik die richtige Therapie und gegebenenfalls auch Fütterung für Ihren Hund empfehlen.

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